Die Idee der Demokratie von 1848 - Studien zu Heinrich Deinhardts frühem Leben und Werk (1821-1851)

von: Christian Stöger

Verlag Julius Klinkhardt, 2017

ISBN: 9783781555969 , 512 Seiten

Format: PDF

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 40,90 EUR

Mehr zum Inhalt

Die Idee der Demokratie von 1848 - Studien zu Heinrich Deinhardts frühem Leben und Werk (1821-1851)


 

Erstes Kapitel Bildungsweg und Politisierung (S. 95-96)

1. Die frühen Jahre von 1821–1840

a.) Beginn der Schullaufbahn

Nachrufe seiner Wiener Freunde setzen überwiegend so ein: „Heinrich Marianus Deinhardt ist geboren im Jahre 1821. Seine Wiege stand in einem Bauernhause zu Niederzimmern, einem Dorfe etwa 3 Stunden von Weimar entfernt. “ Die in der Erinnerungsliteratur zu findende Hervorhebung von Deinhardts bäuerlicher Herkunft ist einer literarischen Inszenierungsabsicht geschuldet, die den Topos des armen, sein Herkunftsmilieu durch hervorstechende Begabung hinter sich lassenden Bauernjungen bemüht. Was ihm die Möglichkeit zu gymnasialer und universitärer Bildung geebnet hat, bleibt so offen. Dazu gibt Deinhardt selbst in einer kurzen handschriftlichen Autobiographie Auskunft. Mit seinen Hinweisen können dem bäuerlichen Hintergrund der Kindheitsjahre ein bildungsbürgerliches Milieu für die Jugendzeit an die Seite gestellt und daran anknüpfend zwei, für Deinhardt prägende Einflüsse identifiziert werden: Die Philosophie Hegels und der deutsche Nationalismus, was im Lauf der weiteren Ausführungen gezeigt wird.

Während Deinhardt den sozialen Standort seiner Familie in seiner Autographie unerwähnt lässt, stellt er sich dagegen als jemand vor, der in seinen Jugendjahren weit herumgekommen ist: Zum Zeitpunkt der Reifeprüfung lagen bereits mehrjährige Aufenthalte in drei Staaten des Deutschen Bundes hinter ihm. Zieht man die Zeiträume, die er selbst angibt, zur Datierung heran, ergibt sich für seine Kindheit und Schullaufbahn folgendes Bild: Die ersten 13 Lebensjahre verbringt er in Niederzimmern, besucht die Dorfschule, ehe er von Ostern 1834 an auf den Besuch des Gymnasiums vorbereitet wird. Ab Herbst des gleichen Jahres ist Deinhardt für zweieinhalb Jahre Schüler des Wittenberger Gymnasiums, wechselt zu Ostern 1837 aber für zwei Jahre an die Gelehrtenschule in Friedland im damaligen Großherzogtum Mecklenburg-Strelitz. Nach zweijährigem Aufenthalt kehrt er mit Ostern 1839 nach Weimar zurück und schließt dort im Herbst 1840 seine Gymnasialzeit mit der Reifeprüfung ab. Der Weichensteller dieser erstaunlichen Bildungslaufbahn ist sein Onkel Johann Heinrich Deinhardt (1805–1867), der den Neffen 1834 zu sich nimmt und den Besuch des Wittenberger Gymnasiums ermöglicht. Auf ihn lässt sich die biographische Erzählfigur des sozialen Aufsteigers wohl überzeugender einsetzen als auf den Neffen: Johann Heinrich Deinhardt absolvierte – nach der Predigerschule und dem Gymnasium in Erfurt – von 1825–1828 das Studium der Schulwissenschaften an der Berliner Universität, studierte neben Mathematik, Naturwissenschaften (u. a. bei Ohm), Philologie und besonders: Philosophie bei Hegel. Und als wichtigen Vertreter hegelianischer Pädagogik nahmen ihn die Nachschlagewerke des 19. Jahrhunderts auf5, wie er seinen Zeitgenossen überhaupt als „einer der bedeutendsten deutschen Schulmänner“ galt. Im Jahr 1834, als Deinhardt bei seinem Onkel einzieht, ist dieser allerdings noch unbekannt und unterrichtet als Oberlehrer Mathematik und Physik am Wittenberger Gymnasium. Johann Heinrich Deinhardts Karriere nimmt einen rasanten Aufschwung, als er sich mit seinem Werk „Der Gymnasialunterricht nach den wissenschaftlichen Anforderungen der jetzigen Zeit“ in die zeitgenössische Schuldiskussion, besonders in die sogenannte Lorinser-Debatte einbringt. Er antwortet auf den Vorwurf, der Gymnasialunterricht gefährde die körperliche wie geistige Gesundheit der Schüler, mit einer hegelianischen Neubegründung des preußischen Gymnasiums.